Der (Titel-)Traum geht weiter

Die Starwings bezwingen Union Neuchâtel mit 89:75 (45:38) und ziehen mit 2:0-Siegen ins Playoff-Finale ein. Der Endspiel-Widersacher ist Re­nommier- und Vorzeigeklub sowie Rekordmeister Fribourg Olympic. Das Duell der Gegensätze wird im best-of-five-Modus gespielt.

Von Jordi Küng

Zuerst etwas in eigener Sache: Der Chronist hat einst, sehr bescheiden, aktiv Basketball (1. Liga) gespielt. Der «Schreiberling» hat als «Rhypark-Junge» den legendären CVJM Birsfelden der Gebrüder Hänger gesehen. Ich bekam mit, dass der «Cevi» im April 1969 in Lugano, gegen das grosse Federale, Cupsieger wurde – und in der gleichen Saison 1968/69 auch Vize-Meister, hinter dem unantastbaren Stade Français Genève.

Nach sechs Saisons in der Natiionalliga A folgte für Birsfelden später ein Neubeginn in der 2. Liga. Wir freuten uns ob des legendären 1967er-Jahrganges, der Schweizer Meister bei der U20 wurde und, mit der gleichen Equipe, die Nationalliga B, vor dem TV Reussbühl, gewann und in die Nationalliga A aufstieg.

Einst eine 12er-Liga

Und mit dem Sporthallen-Bau in «Blätzbums» und der Geburt der Starwings (ein Konstrukt aus dem BC Arlesheim und CVJM Birsfelden) begann eine Neuzeit. Im Juni 2005 gelang die Promotion in die Nationalliga A – die elf Widersacher in der 1. Saison 2005/06 waren der BC Boncourt, Fribourg Olympic, Geneva Devils, Lausanne, Lugano, Meyrin/Grand-Sa­connex, Monthey, Nyon, Pully Basket, SAM Massagno und Union Neuchâtel. Die Fragen der Insider und Basket-Kenner war: Das sind ja alles Rivalen aus einem anderen Planeten – die damaligen Birstal Starwings würden Kanonenfutter sein. Mitnichten! Legendäre Ak­teure wie Mike Coffin, Bruce Fields, Vladimir Vujcic und Raymond Henderson (ein illustres Profi-Quartett, wobei Coffin und Henderson vier Saisons in Birsfelden spielten!) sorgten für Spektakel und Siege. Und Zuschauerzahlen um die 1100 Anhänger waren eher die Regel denn die Ausnahme.

Historischer Cup-Sieg

Es gab den Cupsieg 2010 – die Media (oder «gk.») schrieben von «episch» und «histo­risch». Heute/gestern war der 21. Mai 2021. Und es hat sich wieder etwas ereignet, das – je nach Sichtweise – unfassbar ist oder eine Fata Morgana sein könnte respektive einem Wunder gleichkommt. Wobei ich all diese Ausdrücke schon gebraucht habe. Man möge mir verzeihen, dass ich in meinem doch respektablen Wortschaft der Goethe-Sprache kei­ne Superlative mehr finde…

Ein halbes Dutzend «Mohikaner»

Sechs Basketballer haben innerhalb von neun Tagen fünf Matches ausgetragen. Wären wir im Schwingsport, so würde man von den «ganz Bösen» reden. Les Lions de Genève sind furchtbar stark, fürchterlich gross, muskelbepackt, können Spieler nach Belieben ver­pflichten – wenn einer hustet, stehen zwei Neue bereit. Union Neuchâtel hat sich auf die Playoffs massiv verstärkt – mit Xavier Ford, der mehr kostet als… In der Birsfelder Sport­halle war er nahezu ein «Nobody».

Die Tagesmedia (Merci, bz; Danke, BaZ) haben im Vorfeld und in Chroniken berich­tet. Im regioTVplus konnte man den Match live verfolgen. Ein Danke an Max Schwank und «Däny» Wittlin.

Sie trotzen allen Widerwärtigkeiten

Die «Wings» siegten nicht nur, sie zelebrierten Basketball. Obwohl während der Partie ein Deondre Burns verletzt wurde und in seinem Rendemment eingeschränkt war. Nathan Krill, der mehr Zeit im Krankenbett als auf dem Spielfeld verbracht hat, wurde von musku­lären Problemen behindert. Der Fuss von Vid Milenkovic, der besser, souveräner und ab­geklärter als all die «grosse Gesamt-Kapelle» an Schweizer Nationalspielern der Neuen­burger spielte, hat eine Dimension eines Elefantenfusses. Er beisst sich durch. Dass der Rookie gleich viele Punkte erziel­te wie das illustre US-Trio Carter, Ford, Giddens und Taylor zusammen, kann mit Ratio nicht erklärt werden.  

100 Prozent von der Freiwurflinie

Burns und Milenkovic hatten je 11 von 11 Freiwürfen im Korb. Ein Matt Milon müsste für seine «Bomben» (so werden unverschämte Dreipunktewürfe aus acht Metern genannt) ei­nen Waffenschein haben – und ein Cheikh Sane… ja, der Herr Schreiberling hat keine Mühe, sich vor dieser senegalesischen Frohnatur zu verbeugen. Was habe ich nicht «kri­tisch bis böse» über diesen 207 Zentimeter grossen Afrikaner geschrieben. Gegen Union war er stärker als das schreckliche US-Trio der Gäste unter den Körben… Und wie er das Publikum als 6. Mann dirigierte und orchestierte… grandios. Thank`s, Cheikh. Der Beweis, dass angebliche Fachjournalisten auch irren…

Das Finale ist, für mich, marginal. Fribourg muss den Starwings ewig dankbar sein, dass diese Birsfelder Mohikaner das historische Triple der Les Lions de Genève verhindert ha­ben. Die «Wings» haben längst gewonnen – die Herzen und die Sympathien, weil es faszi­nierend ist, wenn sich der Kleine, der Underdog (mit bescheidenen Mittel) sich der Solvenz und Potenz des Grossen gegenüber stellt. Und gegen jedes Unbill ankämpfen muss, wäh­rend die Konkurrenz einfach «postet». Vielleicht haben diese Starwings, mit dem Architek­ten und Baumeister Dragan Andrejevic an der Spitze (es geht vergessen, dass dieser Mann einst in der Nachwuchs-Abteilung des FC Bayern München tätig war!), den anderen Rivalen gezeigt, dass es auch «einen anderen Weg» gibt.

In einer Sportart wie Basket kann der Achte (von neun Teams) nichts gewinnen. Ein klapp­riges Dreigang-Velo verliert gegen einen 12-Zylinder. Immer. Auf 10 Meter und über 100 Ki­lometer. Aber Cheftrainer Dragan Andrejevic und die Herren Deondre Burns, Sébastien Davet, Nathan Krill, Vid Milenkovic, Matt­hew Milon und Cheikh Sane haben den Schweizer Basketball längst «ad absurdum» ge­führt. Sie haben Erfolge erreicht, die unfassbar sind, weil sie gar nicht möglich sind. Sie haben gezeigt, was Charakter, Integrität und Loyalität (ein Gruss ins Wallis an Rot-Blau) ist. Sie ha­ben gezeigt, wozu Männer fähig sind, die lei­den mussten – und es weiterhin tun.

«Wings» sind die wahren Champions

Anfangs Saison waren es 14 Kaderspieler – aus diversen Gründen sind noch acht Spieler einsetzbar. Wie auch immer die Playoff Finalserie enden wird, diese «Sternenadler» werden Freunde fürs Leben blei­ben und Erinnerungen haben, die ihnen niemand nehmen kann. Und sie sind schon jetzt CHAMPIONS – dafür wird es keinen Kü­bel brauchen!

Starwings – Union Neuchâtel 89:75 (45:38)

Sporthalle Birsfelden. – 50 Zuschauer. – SR: Clivaz/Pillet/Tagliabue.

Starwings: Milenkovic (26!), Burns (16), Milon (15), Davet (10), Sane (13); Krill (9), Pausa.

Neuchâtel: Colon (14), Taylor, Ford (6), Anabir (5), Carter (17); Granvorka (6), Fofana (12), Gid­dens (4), Martin (9), Kübler, Caputo (2); Chokoté.

Bemerkungen: Starwings ohne Haile, Kostic, Vranic, Weibel (alle verletzt), Fasnacht, (Schule/ Stu­dium) sowie Fuchs (Rück­tritt). – Neuchâtel komplett. – Viertelsresultate: 28:25, 17:13 (45:38); 18:12 (63:50) und 16:20 (42:38); 22:23 (64:61) und 25:24 (89:75). – Mit fünf Fouls ausgeschied­en: 39. Carter. – Fouls: Starwings 14, Neuchâtel 27. – Zu den besten Spielern wurden Sane (Senegal) und Carter (USA) gewählt.